WEITERE AUFZUCHT UND AUSSUCHEN UNSERER ERSTEN EIGENEN ZUCHTTIERE:

 

  1. Aussuchen der Männchen
  2. Aussuchen der Weibchen
  3. Wie gehen wir beim Aussuchen unserer Zuchttier vor?

 

1. Aussuchen der Männchen

 

Die getrennten und nun separat aufwachsenden Männchen und Weibchen werden weiter gut gefüttert und laufend intensiv beobachtet. Tiere, die zurückbleiben, krumm werden oder sonst keine Entwicklung im Sinne unsere Zuchtzieles zeigen, werden konsequent entfernt, um mehr Raum für die übrigen zu schaffen.

 

Hier aus Bequemlichkeit oder anderen Gründen nachlässig zu sein, zahlt sich nicht aus.

 

Nach fünf oder sechs Monaten oder auch später, je nach Standard, Wachstum der Nachzucht, suchen wir unsere ersten eigenen Zuchttiere für die nächste Generation aus. Und das ist nun wirklich ein Kapitel für sich.

 

Ich komme manchmal aus dem Staunen nicht heraus, wie von manchen Züchtern die Tiere zur Zucht ausgesucht werden.

 

Da wird mit dem Casher einmal durchs Becken gezogen und was dann drin ist, wird zur Zucht genommen. Oder man trennt die Geschlechter gar nicht, lässt Männchen und Weibchen fröhlich zusammen und vertraut darauf, dass die Männchen schon fleißig sein werden. Das stimmt zwar, nur sind die falschen Männchen (im Sinne unseres Zuchtzieles) dabei immer am fleißigsten. Und es gibt noch andere dubiose Methoden, Guppys zu vermehren. Solche Methoden funktionieren bei keiner Tierart, erst recht nicht beim Guppy. Wer mit ihm Erfolg haben will, muss eine peinlichst genaue Selektion betreiben, um das Zuchtziel zu erreichen.

 

Nach welchen Kriterien suchen wir nun unsere Zuchttiere aus?
Der Bewertungsstandard IHS (Inter-Hochzuchtstandard) nimmt die Einteilung nach der Schwanzflosse vor. Dort werden die Punkte wie folgt vergeben:

 

Schwanzflosse 44 Punkte
Körper 28 Punkte
Rückenflosse 23 Punkte
Vitalität 5 Punkte
Gesamt 100 Punkte

 

Die Schwanzflosse wird dort mit fast der Hälfte der zu vergebenden Punkte bedacht. Und trotzdem rate ich dringend davon ab, die Schwanzflosse bei der Auswahl der Zuchttiere als das wichtigste Merkmal anzusehen. Wer das tut, wird Rückschläge erleben.

 

Die Reihenfolge der zu beachtenden Kriterien bei der Auswahl von Zuchtmännchen muss unbedingt sein:

 

1. Vitalität  
2. Körper - Größe und Form
3. Schwanzflosse - Form und Länge
4. Rückenflosse - Form und Länge
5. Farbe - Körper
- Schwanzflosse
- Rückenflosse

 

Im Laufe der Zeit müssen Sie noch auf weitere, äußerlich nicht sichtbare Merkmale achten, wie
- Langlebigkeit
- Schnellwüchsigkeit
- vor allen Dingen aber Fruchtbarkeit.

 

Mancher Züchter wird an dieser Reihenfolge Kritik üben. Ich rate aber trotzdem allen Anfängern, diese Reihenfolge einzuhalten. Eine Bevorzugung der Farbe vor der Form wird Sie in ihrem Zuchtziel zurückwerfen.

 

Wenn es erforderlich ist, können wir die Positionen 3, 4 oder 5 tauschen. Zum Beispiel müssen wir unsere Rückenflossenform verbessern und haben ein Männchen dabei, dass die von uns gewünschte Form besitzt. Dann sollten wir die Schwanzflosse und die Farbe nachrangig einordnen, niemals aber die Vitalität und die Körperform und die Körpergröße. Diese Kriterien stehen immer oben an.

 

Folgende Fehler schließen Tiere von der Zucht unbedingt aus:

 

  • krumme Körper
  • zu flacher Körper (Bleistifte)
  • Buckel
  • zu kleine Tiere
  • Dellen hinter dem Maul
  • Flossenschäden, da meist nicht festgestellt werden kann, ob sie vererbt oder Folge von Umwelteinflüssen sind
  • schaukelnde Schwimmbewegungen
  • ein nach unten hängender Hinterkörper (bei Großflossern)
  • ein zu langer Hinterkörper. Solche Männchen neigen dazu, mit zunehmender Größe der Schwanzflosse nach unten zu hängen. Zur Ausbalancierung der großen Schwanzflosse soll ein Großflosser leicht vornüber geneigt schwimmen.

 

Aussuchen der Zuchttiere

2. Aussuchen der Weibchen:

Für die Weibchen gibt es leider noch keinen Standard.
Bei ihrer Auswahl zur Zucht ist der Körper mit Abstand das Hauptmerkmal.
- Die Weibchen müssen groß sein
- Beim Körper ist aufs peinlichste auf korrekte Formen zu achten
- Die Körperlinien müssen klar sein, speziell die Oberlinie, keine Buckel oder Dellen, vor allen Dingen hinter dem Maul,   ein häufiger Fehler
- Gut gerundete Vorderkörper mit gutem Laichansatz

Merkmale ,die wir verbessern müssen, dürfen wir nur mit Merkmalen verbessern, die äußerst korrekt sind. Wenn zum Beispiel eine Triangelflosse an der hinteren Begrenzung einen Bogen nach innen aufweist, dürfen wir das nicht mit einer nach außen gebogenen Schwanzflosse korrigieren, sondern mir mit einer korrekten Schwanzflosse.

Im Laufe der Zeit muss der Züchter die Flossenformen seiner Weibchen beobachten, um herauszufinden, wie diese Flossen sich vererben und ob sie Einfluss auf die Flossenbildung und Ausfärbung beim Männchen haben.

Nachdem uns nun klar geworden ist, dass wir nicht die erstbesten Guppys für unsere Weiterzucht nehmen dürfen, müssen wir uns klar werden, in wie vielen Linien wir unseren beabsichtigten Stamm ziehen wollen. In einem späteren Sonderdruck wird genauer auf verschiedene Zuchtverfahren eingegangen, hier erfolgt nur der erste Hinweis darauf, dass wir unseren Stamm nicht nur immer mit einem Zuchtpaar fortführen dürfen. Das ist zu wenig und bringt uns in kürzester Zeit in eine Sackgasse.

Auch ein Anfänger sollte von Anfang an seinen beabsichtigten Stamm in mindestens 3 Linien ziehen. Damit reduziert er den Verwandtschaftsgrad der Fische und damit die Inzuchtgefahren. Nach einigen Generationen kann er diese Linien miteinander kreuzen.

Wir können für jede Linie ein oder mehrere Männchen aussuchen. Ich suche immer nur eins aus. Aber nehmen Sie auf jeden Fall für jedes Männchen mehrere Weibchen. Nur so kommen Sie zu ausreichend Jungen. Die brauchen Sie, um die nötige Selektion durchführen zu können.

Machen wir uns nichts vor: Von 50 Männchen sind höchstens 3 zur Zucht geeignet. Wohlgemerkt, nach dem Äußeren beurteilt. Ob sie wirklich das, was sie zeigen, auch so stark vererben, sehen wir erst bei der Nachzucht, manchmal auch erst in der Enkelgeneration. Von den 3 Männchen tun das höchstens 1 - 2. Diese Zahl wird sich erhöhen, wenn wir unseren Stamm erbfest gemacht haben.

Aussuchen der Zuchttiere

3. Wie gehen wir beim Aussuchen unserer Zuchttiere vor?

Wir haben schon davon gesprochen, dass es schwierig ist, Guppys aus bepflanzten Becken heraus zu fangen. Zuchttiere unter Beachtung aller Selektionsmerkmale aus solchen Becken heraus zu fangen, ja überhaupt zu entdecken, dürfte mit etlichen Risiken verbunden sein. Die Gefahr ist groß, dass die besten Tiere über sehen werden.

Die Becken, in denen wir unsere Guppys aufgezogen haben, müssen übersichtlich sein. Wie können wir sonst während des Wachstums unsere Tiere beobachten und alles entfernen, was für die Zucht oder für Ausstellungen nicht geeignet ist. Pflanzschalen, die man herausnehmen kann oder schnell zu entfernendes Javamoos sollten in den Becken reichen.

Aus unserem übersichtlichen Becken fangen wir die Tiere her aus, die wir bei einer ersten Prüfung als geeignet angesehen haben. Diese Tiere setzen wir in kleine 1-21-Becken und untersuchen sie dort bei guten Lichtverhältnissen auf ihre endgültige Zuchttauglichkeit.

Bei unseren wochenlangen Beobachtungen unserer Guppys sind uns bereits einige Männchen aufgefallen, die wir für geeignet halten. Wenn sie die genaue Prüfung überstehen, können wir sie nehmen, sonst weitersuchen. Bei dieser endgültigen Auswahl müssen wir uns Zeit nehmen. Das strenge Selektionsschema, nachdem wir die Männchen aussuchen, wenden wir auch bei den Weibchen an. Das dauert länger, weil wir mehr Weibchen brauchen.

Auch wenn es immer noch Züchter gibt, die nur das Männchen sehen und die Weibchen nur zum Jungekriegen brauchen: Das Weibchen ist genau so wichtig wie das Männchen, denn es bringt 50 % der Erbmasse. Betrachten Sie bei Ihrer Zucht das Weibchen genau so gleichwertig wie das Männchen. Dass das Weibchen nicht so farbenprächtig ist wie das Männchen, besagt überhaupt nichts. Auch unscheinbare Weibchen können herrliche Farben an ihre Söhne vererben, wie wir aber wissen, zeigt sich die Farbe aber nur bei Männchen. Wir sprechen hier von geschlechtsbegrenzter Vererbung. Ich hoffe, ich habe eindringlich genug die Notwendigkeit einer peniblen Zuchtauswahl bei Ihrer Guppy-Zucht als Grundstein für Ihren Erfolg geschildert.

Dass kompromisslose Selektion zum Erfolg führt, beweisen nicht nur die erfolgreichen Guppy-Züchter. Es gilt für alle Tierarten. Ich möchte als Beispiel hier einmal das Paradebeispiel erfolgreicher Tierzucht anführen: Die Haflingerzucht in Tirol seit dem 2. Weltkrieg. Um gleich Missverständnissen vorzubeugen: Man kann Pferdezucht nicht mit Guppy-Zucht vergleichen. Ich möchte an diesem Beispiel auch nur aufzeigen, was harte Selektion ausmacht. Die Tiroler Haflinger-Züchter haben es geschafft, aus einer kleinen Population von wenigen tausend in einer Zeit, in der überall in der Welt die Pferdezahlen drastisch zurückgingen, den Haflingerbestand auf eine sechsstellige Zahl in über 3o Ländern der Erde zu steigern. Dabei ist der Haflinger leistungsstark im Flachland wie im Gebirge, z.B. in den Alpen, wo er herkommt, und Himalaja, genauso in der Wüste wie in den Tropen. Das war nur möglich, weil der Verband seit 1945 rigoros laufend die Zuchtbestimmungen verschärfte, die für die Züchter große Opfer bedeuteten. So wurden im Laufe der Jahre 1/3 aller Stutenfamilien selbst wegen geringster Mängel aus der Zucht genommen. Den Züchtern wurde verboten, mit diesen Tieren weiterzuzüchten, für die Züchter ein harter Schlag, denn bei der Pferdezucht geht es um viel Geld. Aber der Gesetzgeber ist dort auf Seiten des Verbandes und kann das erzwingen. Aber der Erfolg zeigt, dass dieser Weg richtig war und ist.

Wir sind jedoch Hobby-Züchter. So rigoros können und wollen wir es den Züchtern nicht vorschreiben. Aber wir Guppy-Züchter müssen aus Einsicht das freiwillig tun, wozu andere gezwungen werden, um zum Erfolg zu kommen. Ich reite ständig auf diesem Thema herum, weil ich weis, dass viele Guppy-Züchter ihre Zuchttiere nicht sorgfältig genug aussuchen.

Machen Sie diesen Fehler nicht! Auch wenn es Zeit kostet, diese Zeit zahlt sich vielfach aus Vielfach!!

 

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